Dienstag, 24. März 2020

Nach Hause kommen

Nach Hause kommen - der Teil des Auslandsaufenthalts, über den man sich vor dem Weggehen wahrscheinlich am wenigsten Gedanken macht. Und der Part, den ich während meines Aufenthalts auch immer so gut es ging, verdrängt habe.
Versteht mich nicht falsch- ich habe mich so sehr gefreut, endlich meine Familie und meine Freunde wiederzusehen. Aber ich wollte nicht, dass mein Jahr in Australien zu Ende geht. Denn mittlerweile war Brisbane mein Zuhause geworden. Zumindest mein Zweites. Und immer wieder habe ich mir gedacht: Wie kann ich mich auf das eine freuen, wenn ich das andere verlassen muss? Ich bin also mit einem Weinenden und einem lachenden Auge gegangen.
Natürlich war meine Situation noch mal spezieller, weil ich mich nicht nur in das Land, sondern auch in eine Person verliebt habe, und der Gedanke an die räumliche Trennung hat meine Vorfreude auf Zuhause nochmals mehr gedämmt.
Aber um ehrlich zu sein, war das nach Hause kommen, genauso, wie das Ankommen in Australien ein Prozess. Ich weiß, dass sich das für Leute, die so etwas selbst nicht erlebt haben sehr dramatisch anhören muss, aber alle die längere Zeit im Ausland waren, können es wahrscheinlich sehr gut nachvollziehen. Du landest nicht zuhause und bist automatisch wieder hier. Deine Gedanken und dein Herz, das ist immer noch woanders. Und bis du vollständig und ganz wieder hier bist - das braucht.

Mein Flug ging um 1 Uhr nachts und hatte zusätzlich noch Verspätung. Deshalb war mein Abschied von Australien vor allen Dingen eines: übermüdet. Der Tag davor vor allem: emotional.
Ich habe mich versucht damit abzulenken, meinen Koffer so akribisch wie möglich zu packen, weil es mir Gefühl von Kontrolle gegeben hat - zumindest ansatzweise. Meine Gefühle sind nämlich Achterbahn gefahren. Immer wieder ist mir durch den Kopf geschossen, wie ich denn jetzt einfach so gehen kann. Nach einem Jahr. Nach meinem Jahr. Nach all den Erinnerungen und Erlebnissen. Obwohl ich doch so glücklich bin. In dieser Stadt. Für mich war die Vorstellung, morgen Abend in meinem alten Kinderzimmer zu liegen vollkommen absurd und fremd. Gehöre ich dort überhaupt noch hin? Will ich dort überhaupt hin? Ich hatte das Gefühl, dass ich eigentlich noch gar nicht gehen wollte, gleichzeitig aber bereit für etwas Neues war und - dieses Neue wartete anscheinend nicht in Australien auf mich. Das hatte ich nach ewigem Kopf zerbrechen, ausgiebigen Recherchen und Pläne schmieden über die Monate davor festgestellt.

Irgendwann, verheult und komplett übermüdet, saß ich dann im Flugzeug. Meine Rückreise war der Inbegriff von Chaos - alle meine Flüge waren verspätet, in Hong Kong habe ich mein Handy auf der Toilette liegen lassen und es nur durch ganz viel Glück wieder zurückbekommen. Als ich dann endlich in Frankfurt zwischen gelandet war, hatte ich 40 min zum Umsteigen und bin erst mal zum falschen Terminal gefahren. Nachdem ich das bemerkt hatte, bin ich panisch zum Richtigen und durch die Security gerannt. Gerade noch so rechtzeitig am Gate angekommen habe ich dann erfahren, dass derzeit keine Maschinen in Frankfurt weder landen noch abheben können, da es so ein riesiges Unwetter gab. Unsere Maschine durfte 3 Stunden später zu meiner großen Erleichterung doch noch knapp vor der Nachtsperre abheben und ich bin dann doch irgendwann nachts komplett erschöpft meiner Familie in die Arme gefallen.


“Perhaps we only leave
So we may once again arrive,
To get a bird's eye view
Of what it means to be alive.
For there is beauty in returning,
Oh how wonderful, how strange,
To see that everything is different
But know it's only you who's changed.”

Erin Hanson



Die Rückreise und die erste Woche waren definitiv surreal.
Immer wieder ging mir durch den Kopf: Wie kann ich mich über das eine freuen wenn ich das andere verlassen musste?
Alles hat sich komisch angefühlt. Alle Leute in die Arme zu schließen, die so vertraut waren, aber gleichzeitig doch so fremd. In meinem Zimmer zu schlafen - obwohl es sich gar nicht mehr anfühlte wie meines.

Die ersten Monate waren ein Auf und Ab. Manchmal habe ich Australien so sehr vermisst, dass ich knapp davor war in den nächsten Flieger zu steigen und wieder zurückzufliegen. Aber immer wieder habe ich mich daran erinnert: Es ist ganz normal. Alles braucht Zeit.

Das beste bei Herzschmerz ist Ablenkung - und dasselbe gilt für Nach Hause kommen- Schmerz. Nachdem ich noch den letzten Rest Sommer genossen und alle Liebsten hier wiedergesehen hatte, bin umgezogen. Ich habe mir einen Job gesucht, mein Studium angefangen. Und wie das immer so schön ist, wenn man viel zu tun hat: Die Zeit verfliegt. Auf einmal war es Dezember und ich konnte Weihnachten im Kalten mit meiner Familie genießen - und jetzt ist es auf einmal schon März.

Es hat Zeit gebraucht. Versteht mich nicht falsch - ich vermisse Australien immer noch. Jeden einzelnen Tag. Aber mittlerweile ohne das Auf und Ab. Und den Herzschmerz. Ein kleiner Teil meines Herzens wird zwar immer in Australien bleiben, aber ich - ich bin endlich wieder hier. 

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